Wir wohnen die nächsten Wochen direkt in Christchurch Central. Das „Central“ ist wichtig, um es nicht mit dem eigentlichen Christchurch zu verwechseln. Die beiden Teile der Stadt scheinen vollkommen voneinander entkoppelt. Auch nach 10 Tagen habe ich nur eine vage Idee davon, wie die Stadt funktioniert bzw. nicht funktioniert – an unserem ersten Wochenende waren wir einfach nur verwirrt. Christchurch Central ist eine der seltsamsten Städte, die ich bisher gesehen habe. Und ich war schon in Longyearbyen, Jerusalem und Bayreuth.

(Slideshow mit meinen ersten Analog-Fotos aus Christchurch Central, klick auf’s Bild zum Wechseln!)

Die Innenstadt ist eine seltsame Landschaft aus Leerräumen, halb vermieteten, vollverglasten Büroneubauten und eingezäunten alten Gebäuden (die meisten einsturzgefährdet und auf ihren Abriss wartend). Eine Mischung aus Baustelle und Street-Art-Gallery. Ein Ort ohne Einwohner, wo sich Touristen und Bauarbeiter ungefähr die Waage halten und der größte Spielplatz der südlichen Hemisphäre steht. Ein Experimentierfeld auf Zeit für Künstler, ein Versuchslabor für radikales, artifizielles, business-getriebenes Stadtdesign, wie man es sonst vielleicht nur in China findet. Eine Stadt, die mal eine war und wieder eine werden will. Und dabei versucht alles richtig zu machen und dabei vieles falsch macht, weil man über die „Visionen“ die Menschen vergisst.

(Postkarten aus Christchurch, klick auf’s Bild zum Wechseln!)

Bis 2011 war Christchurch Central – so erzählt man es mir, und so legen es die Bilder nahe – eine „normale“ westliche Innenstadt. Arbeit, Leben, Tourismus existierten nebeneinander, samt den üblichen Problemen: Gentrifizierung, Wegzug der Alteingesessenen aufgrund steigender Preise und steigenden Lärms. Nach dem Erdbeben vom Januar 2011 kam all das komplett zum Erliegen. Die Innenstadt war monatelang komplett gesperrt und nur ein Bruchteil der Gebäude blieben erhalten (wobei die meisten nicht zerstört, sondern so stark beschädigt wurden, dass sie später Stockwerk für Stockwerk abgetragen werden mussten oder noch immer darauf warten „demolished“ zu werden). Der Wiederaufbau ist kein Wiederaufbau, sondern eine komplette Neuerfindung zwischen bröckelnden Resten, herausgeputzten Überbleibseln und unwirklichen Freiflächen. 

Und mittendrin: Wir. Als einzige Bewohner im Umkreis von mehreren hundert Metern.