24./25.12.2017
Weihnachten in Neuseeland: 31 Grad im Schatten, ein Weihnachtsbaum vor Palmenkulisse. Die Tochter planscht in einem großen Eimer im Garten von Jamies Eltern, es gibt auf drei Tage verteilt die Kalorien für ein ganzes Jahr: selbstgemachten Pavlova (eine süße Schweinerei aus Eischnee, Zucker, Sahne und Früchten), Trifle (keine Ahnung, aber süß und lecker), selbstgemachte Pizzen, Grillhuhn, english Breakfast mit allem was dazugehört einschließlich der Antwort auf die alte Frage, wie man Worcester-Sauce ausspricht (eine Frage, die die DDR spaltete und letztlich zu ihrem Untergang führte), Himbeeren aus dem Garten und Wein vom Weingut um die Ecke, Rusty Nails (ein Drink, der offenbar aus Whisky und Whisky-Likör besteht), 80s vs. 90S auf MTV und alle singen mit, visuelle und intellektuelle Mondbetrachtungen, Bleigießen (unser kleiner Beitrag zum Fest), mein erstes Mal auf dem Golfplatz, äußerst komplizierte Skype-Logistik und ein Handschlag über neun Jahrzehnte. Vielen Dank, es war wunderschön!
27.12., Fox-Gletcher:
Immer das Positive sehen: Zelten vor toller Kulisse … direkt neben dem Hubschrauberstartplatz von dem zwischen 7 Uhr morgens und 5 Uhr abends im 5-Minuten-Takt Helikopter zu Gletscherrundflügen starten. Das stand so nicht auf der Website des Campingplatzes. Hängen hier aus logistischen Gründen (Ho-ho-hochsaison) für drei Tage fest. Hubschrauber sind übrigens sehr laut. Zeltwände sind schlecht gedämmt. Am dritten Morgen die Erlösung: Regen! Keine Hubschrauberrundflüge! Tanzen (in Gedanken) nackt durch den Matsch, während wir Zelt und Baby und allen anderen Krempel bei Nieselregen einpacken.
(St. Joseph Gletscher)
28.12., Fox-Gletcher:
Ich persönlich bin ja eher so pro Gletscher. Tolle Dinger. Der Fox-Gletscher zum Beispiel. Beeindruckend. Majestätisch. Ein bisschen unordentlich in seinem ungemachten Bett, aber das ist ja auch sympathisch. Also, wenn es nach mir geht, müssen die Gletscher nicht unbedingt weg. Dieses ganze Gletschergeschmelze ist doch Blödsinn. Zumal mit jedem Meter, den der Gletscher zurückweicht, der Fußweg für die Touristen beschwerlicher wird. (Und daher noch mehr böse Menschen mit Hubschraubern, die direkt neben unserem Zeltplatz starten, zum Gletschergucken fliegen und uns auch dort keinen Moment der Ruhe gönnen.)
29.12.2017
Sandfliegen sind Teufel in Sandfliegengestalt. Ich habe zwei Nächte wachgelegen, weil ich den Juckreiz nicht ertragen habe. Nachts auf dem Zeltplatz war nichts zu hören, als das Schnarchen der Tochter und das Geräusch meiner über die zerstochene Haut kratzenden Fingernägel. Vielleicht haben die ganzen Mittelchen, die einem Mosquitos und Sandflies vom Hals halten sollen irgendwann mal funktioniert. Inzwischen wissen die Sandflies: wo es nach Insektenmittelchen riecht, gibt es was zu holen.
(Update zum Update: Deet hilft. Je höher konzentriert, desto besser. Aber alles andere, insbesondere wenn „organic“ oder „traditional“ auf dem Etikett steht, scheint gar nichts zu bringen.)
(Statt Sandfliegen oder aufgekratzen Stichen: Ein Bild, das symbolisieren soll, was ich allen Lesern für 2018 wünsche: Ähm … irgendwas mit Träumen und Regenbögen, die abheben und so.)
29.12.2017
Alles am Zelten ist Mist. Erst recht bei Mistwetter. Aber eine Sache ist großartig: die große Küche auf dem Campingplatz. Die ganze Welt versammelt sich an den 10 Doppelherdplatten und kocht, was die Tüten im Kühlschrank und die eigenen Fähigkeiten hergeben. Tütensuppen, Buletten, Pilzpfannen, Kartoffeln, Reis, Pasta, verkokelte Spiegeleeier, Steaks und die Gerichte 35 A bis 52 B mit Rind oder Tofu. Alle sind freundlich und rücksichtsvoll und machen ihren Dreck hinterher weg. Zum Nachtisch kriegen alle ein Lächeln von unserer Tochter und freuen sich. Ist es zuviel verlangt, dass bitte das ganze Leben immer so funktionieren soll?
(Dass sich die ganze Welt hier trifft ist etwas idealisiert. Nigerianer sind unterrepräsentiert, ebenso Rumänen, Birmesen, Hartz-IV-Empfänger. Eigentlich trifft sich hier vor allem die deutsche und ostasiatische Mittelschicht, gewürzt mit ein paar Niederländern und Neuseeländern, aber ihr versteht schon, oder?)
30.12.
Fahrt vom Fox Glacier nach Haast. Nach zwei Stunden und 12 überfahrenen Possums (nein, nicht von uns überfahren!) höre ich auf zu zählen. Ob das Wort „possierlich“ von Possum kommt? Auf die Roadkill-Possümmse passt es leider nicht oft nicht mehr.
(Don’t shoot, just drive!)
31.12.2017 / 1.1.2018
Mein erstes Sylvester ohne einen Knaller zu hören oder eine Rakete zu sehen. In einer Blechhütte in einem etwas traurigen „Holiday-Park“(-Platz). Am Morgen Dauerregen, am Abend Wein und Picknick an der See und der allerschönste Sonnenuntergang seit dem letzten allerschönsten Sonnenuntergang vor vier Tagen. Als ich nicht aufpasse, schnappt sich die Tochter einen Sweet-Chili-Rice-Cracker und erweitert kurz vor Jahresende ihren Geschmackshorizont auf so ziemlich alles zwischen E12 und E645. Halb 12 liege ich im Bett und schlafe fast sofort ein. 12 Stunden vor Deutschland schlummere ich ins neue Jahr hinüber. Um 4 weint die Tochter und hört nicht mehr auf, hält sich den Bauch und krümmt sich. Trage sie schließlich eine halbe Stunde in der Hütte auf und ab, dann knattern ein paar verirrte Winde mit (gefühlter) Batteriefeuerwerkslautstärke aus dem Strampler, sie seufzt noch einmal und schläft wieder ein. Bestes Feuerwerk ever und bis jetzt mein Lieblingsfurz 2018.